Blick vom Alphubel4206 m zum Monte Rosa
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Rosengarten, Dolomiten
Sicherheit und das Beziehungsverhältnis zum Berg
Das Thema Sicherheit hat auch beim Bergsteigen eine oberste Priorität. Oft wird diskutiert,
wie die Suche des Bergsteigers nach Abenteuer, Grenzerfahrungen oder „Freiheit“ mit dem
Wunsch und Bedürfnis nach größtmöglicher Sicherheit zu vereinbaren sind. Beide, meines
Erachtens konträren Punkte werden in der Alpin Werbung propagiert.
Die Sicherheitsstandards und Normen der Ausrüstung waren wohl noch nie so hoch wie
heute. Geht man heute in ein Sportgeschäft und lässt sich beraten, was man alles zum
Bergsteigen (je nach Bereich) benötigt, wird man schon einmal „ordentlich“ eingekleidet.
Wer dann glaubt, mit dieser standardtauglichen, oft teuren Ausrüstung sicher unterwegs zu
sein, kann unter Umständen bittere Enttäuschungen erleben.
Es zeigen sich beim Bergsteigen nach meiner Erfahrung sehr unterschiedliche
Sicherheitsaspekte. Dies ist einmal der äußere Aspekt der Ausrüstung und deren
sachgemäßer Gebrauch. Beim Klettern kommt die Ausstattung der Klettertour, ob sie mit
Bohrhaken als das sicherste oder mit Normalhaken und natürlichen Sicherungsmitteln
ausgestattet ist, sehr stark zum Tragen.
Ein weiterer, etwas heiklerer Punkt ist die Tourenplanung. Wie steht das Tourenziel, der
Tourenwunsch mit meinen Fähigkeiten in Verbindung? Entsprechen meine Ziele meinen
Fähigkeiten? Es ist empfehlenswert, sich von leichteren, kürzeren Zielen langsam auf
größere Touren vorzubereiten. Man gewinnt so eine Erfahrung für das eigene technische
Können und ein Gefühl für die körperlichen und psychischen Anforderungen am Berg. Wie
stimmen beispielsweise die Angaben einer Tourenbeschreibung, eines Führers, mit der
eigenen benötigten Zeit überein? Waren die schwierigsten Stellen schon am Limit? Es ist
eine ehrliche Reflektion nötig, da nur jene eine möglichst reale Einschätzung für die
nächste Tour gibt.
Neben diesen, mehr „äußeren“ Aspekten gibt es auch einen „inneren“ Aspekt. Er
betrifft das Beziehungsverhältnis oder die innere Einstellung, mit welcher der
Bergsteiger dem Berg begegnet. Warum plane ich die jeweilige Tour? Ist es die
Faszination für den Berg, seine Eigenheiten, seine spezifische Schönheit? Ist es die
Suche nach einem ästhetischen Spiel? Dies könnten sein: Die eleganten Bewegungen
beim Klettern, das rhythmische Erleben des Wanderers auf einem harmonisch
geschwungenen Weg, oder die Begegnung mit dem weichen, aufnehmenden Element
des Schnees im Winter. Die Erlebensweisen sind unterschiedlich und sehr vielfältig.
Oder möchte ich, im Gegensatz hierzu, den Gipfel, eine Felswand, Schwierigkeit oder
Leistung für mich gewinnen? Fühle ich mich dem Berg gegenüber als jemand, der alles
„im Griff“ hat, oder als bescheidener Gast, der auf die guten Bedingungen angewiesen ist?
Heinz Grill schreibt in seinem Buch: „Der Archai und der Weg in die Berge“, dass der
Bergsteiger, der zu sehr dem Eroberungsdrang unterliegt, immer in einer gewissen Gefahr
ist, ohne dass er es weiß. Er empfiehlt deshalb, bei einer Tour die Möglichkeit eines
Rückzuges mit einzukalkulieren und sich offen zu lassen. Dies aber weniger aus
Ängstlichkeit, sondern aus dem Gefühl des Respektes und Dankbarkeit, die aus der
Wirklichkeit des Ausgeliefert-Seins am Berg heraus entsteht. Er schreibt: „Dieses Gefühl
der Ehrfurcht, das eine wahrhaftige Tugend und Reife des Menschseins darstellt, ist der
größte Sicherheitsfaktor, den ein Bergsteiger bei seiner Tour haben kann.“
Wie ist diese Aussage zu verstehen? Wie hängt das Gefühl der Ehrfurcht mit der Sicherheit
zusammen? Die folgenden Beispiele können dies verdeutlichen.
Ein Beispiel kann die Erzählung des bekannten, langjährigen Leiters des DAV-
Sicherheitskreises sein, der die Ostwand des Grand Capucin am Mont Blanc besteigen
wollte. Sie beginnt: „....und eigentlich wollten wir ihn im Handumdrehen machen.“ Die
Geschichte endet aber damit, dass mehrere ungeplante Biwaks in der Wand notwendig
waren. Eine leichtfertige Einstellung (wir machen ihn im Handumdrehen) endete im Biwak.
Welcher Bergsteiger kennt es nicht, dass das eigene, oder auch aus einer bestimmten
Gruppendynamik heraus entstandene Wollen so groß ist, dass man den Berg mit seinen
Anforderungen und Bedingungen übersieht. Wie schnell und leicht sind große Pläne in
einer gemütlichen Runde geschmiedet. Die Ideen sind überschwänglich, berauschend und
abenteuerlich...
Beginnt man dann eine Berg- oder Klettertour mit dem Glauben, problemlos und schnell
sein Ziel zu erreichen, so kann es sein, dass man, ins Gespräch mit den Kollegen vertieft,
schon die erste Weggabelung übersieht oder sich in der Klettertour versteigt.
Man kann dann durch unnotwendige, vielleicht gefährliche Umwege, etwas „geläutert“
wieder auf den richtigen Weg gelangen. Oft meint man in diesen Fällen, dass halt die
Tourenplanung nicht ausreichend war und man etwas übersehen hat. Die Reflexion über
die Einstellung oder innere Haltung, die man dem Berg oder dem Unternehmen gegenüber
hatte, bleibt im Untergründigen.
Was für ein Bild kann sich im Gegensatz hierzu zeigen? Wie sieht es aus, wenn man
vorsichtiger, mit dem Gefühl des „Nicht-Wissens“ oder des nur Bedingten - Könnens an
den Berg herangeht? Der Bergsteiger wird schon bei der Tourenplanung hoffen und
bangen, dass er den Weg gut findet oder die schwierigen Passagen gut meistert. Der
Kletterer wird sich die Tourenbeschreibung besonders sorgfältig durchlesen und sich
Schlüsselstellen einprägen.
Er wird bei der Durchführung der Tour schon am Wanderweg genau darauf achten, wo die
richtige Abzweigung kommt, bei einer Klettertour den richtigen Routenverlauf immer
wieder überprüfen und die Möglichkeiten des Abseilens und Abbruchs der Tour
miteinkalkulieren.
An diesen Beispielen kann klar werden, dass, wenn der Bergsteiger etwas leichtfertig an
eine Tour herangeht, schnell Missgeschicke, „Verhauer“ oder auch gefährliche Situationen
entstehen können. Die überheblichen Vorstellungen in der Tourenplanung, wie problemlos
ein - oder auch mehrere Berge hintereinander bestiegen werden, lassen sich nicht immer
mit der Realität verbinden.
Gibt man dem Berg im Gegensatz dazu eine reale Autorität und ist sich des eigenen
Ausgeliefert-Seins am Berg bewusst, bewegt sich der Bergsteiger vorsichtiger an den
Steiganlagen empor. Ich möchte dies als Einordnung in die Dimension des Berges
bezeichnen. Dies führt dazu, dass die Aufmerksamkeit des Bergsteigers mehr beim Berg und
seinen hoffentlich guten Bedingungen ist. Dadurch werden diese besser wahrgenommen
und vorsichtiger eingeschätzt. Der Bergsteiger rechnet mit schlechten, schwierigen und
mühsamen Bedingungen. Kommen dann die Verhältnisse besser als gedacht, freut man sich
und erlebt den Berg aufnehmend. Hat man im Gegensatz dazu die Bedingungen als zu
leicht eingestuft, überraschen den Bergsteiger die Schwierigkeiten. Er erlebt den Berg
mühsamer als zuerst gedacht oder erreicht nicht den Gipfel und ist enttäuscht.
Eine konkrete, aufmerksame Wahrnehmung für den Berg schenkt Vertrauen und Nähe.
Beim Klettern geschieht dies, wenn ich mir die einzelnen Wandabschnitte mit dem
Tourenverlauf genau einpräge. So lerne ich die Wand mit ihren unterschiedlichen
Formen wie Pfeiler, Verschneidungen, Kaminen, Platten und Überhängen genau kennen.
Diese Formationen geben auch unterschiedliche Empfindungen wie die des Geschützt-
Seins oder die der Ausgesetztheit. Auch diese können oder sollten schon vorweg erlebt
werden. Beim Klettern ist auch die Wandexposition mit einzukalkulieren. Dies nicht nur
wegen der unterschiedlichen Bekleidung oder Getränke, die mitzuführen sind, sondern
auch wegen der unterschiedlichen Stimmungen, welche in den Wänden herrschen. Die N-
Wand erscheint oft „strenger“ und „grimmiger“. Die S-Wand freundlich und aufnehmend.
So vertiefen sich die Vorstellungen über einen Berg und eine Klettertour. Dies ist aber auch
auf alle anderen Bergtouren zu übertragen.
So haben wir in der Tourenplanung drei unterschiedliche Bilder oder Ebenen. Dies sind
einmal die technischen Informationen mit den Anforderungen, Zeitangaben und
Schwierigkeiten. Dann aber auch das Bild des Berges, mit seinen Wänden, Flanken,
Pfeilern, seinen steilen und flachen Abschnitten. Als drittes Bild oder Ebene ergeben sich
die Empfindungen und Eindrücke, die der Bergsteiger aus der Beschäftigung mit diesen
Bergformen und Expositionen erlebt. Vor allem die letzten beiden Bilder schenken
Vertrauen und eine Nähe zum Berg. Dieses Vertrauen und diese Nähe können eine Basis für
die „innere Sicherheit“ bieten.
Text zum Drucken und
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Florian Kluckner in der via
“Il gran diedro” due Laghi
Ein äußerer Aspekt ist
die Ausrüstung und
ihr sachgemäßer
Gebrauch
Piz Bernina mit Biancograt
Der innere Aspekt
ergibt sich aus dem
Beziehungsverhältnis
das der Bergsteiger
zum Berg einnimmt
Ist sich der
Bergsteiger der
realen Autorität des
Berges bewusst, so
gewinnt er Sicherheit
Claudia Bösmüller bei
der kleinen Fermeda,
Dolomiten
Franz Heiß in der via “Il
gran diedro” due Laghi
Der Mensch fügt sich
in die Umgebung ein
Die Wahrnehmung
für den Berg
schenkt Nähe und
damit Sicherheit
Sandra Schieder in der via
“La bellezza della Venere”,
Piramide Lakschmi