Blick vom Alphubel4206 m zum Monte Rosa
 
 
 
  Florian Kluckner, Telefon: +39 - 349.4196 455   P.IVA 02472650031  Kontakt     Impressum /  Datenschutz    Links   
 
 
 
  Rosengarten, Dolomiten
 
 
  Sicherheit und das Beziehungsverhältnis zum Berg
  Das Thema Sicherheit hat auch beim Bergsteigen eine oberste Priorität. Oft wird diskutiert,
 
  wie die Suche des Bergsteigers nach Abenteuer, Grenzerfahrungen oder „Freiheit“ mit dem
 
  Wunsch und Bedürfnis nach größtmöglicher Sicherheit zu vereinbaren sind. Beide, meines
 
  Erachtens konträren Punkte werden in der Alpin Werbung propagiert.
   
  Die Sicherheitsstandards und Normen der Ausrüstung waren wohl noch nie so hoch wie
 
  heute. Geht man heute in ein Sportgeschäft und lässt sich beraten, was man alles zum
 
  Bergsteigen (je nach Bereich) benötigt, wird man schon einmal „ordentlich“ eingekleidet.
 
  Wer dann glaubt, mit dieser standardtauglichen, oft teuren Ausrüstung sicher unterwegs zu
 
  sein, kann unter Umständen bittere Enttäuschungen erleben.
 
   
  Es zeigen sich beim Bergsteigen nach meiner Erfahrung sehr unterschiedliche
 
  Sicherheitsaspekte. Dies ist einmal der äußere Aspekt der Ausrüstung und deren
 
  sachgemäßer Gebrauch. Beim Klettern kommt die Ausstattung der Klettertour, ob sie mit
 
  Bohrhaken als das sicherste oder mit Normalhaken und natürlichen Sicherungsmitteln
 
  ausgestattet ist, sehr stark zum Tragen.
   
  Ein weiterer, etwas heiklerer Punkt ist die Tourenplanung. Wie steht das Tourenziel, der
 
  Tourenwunsch mit meinen Fähigkeiten in Verbindung? Entsprechen meine Ziele meinen
 
  Fähigkeiten? Es ist empfehlenswert, sich von leichteren, kürzeren Zielen langsam auf
 
  größere Touren vorzubereiten. Man gewinnt so eine Erfahrung für das eigene technische
 
  Können und ein Gefühl für die körperlichen und psychischen Anforderungen am Berg. Wie
 
  stimmen beispielsweise die Angaben einer Tourenbeschreibung, eines Führers, mit der
 
  eigenen benötigten Zeit überein? Waren die schwierigsten Stellen schon am Limit? Es ist
 
  eine ehrliche Reflektion nötig, da nur jene eine möglichst reale Einschätzung für die
 
  nächste Tour gibt.
   
  Neben diesen, mehr „äußeren“ Aspekten gibt es auch einen „inneren“ Aspekt. Er
 
  betrifft das Beziehungsverhältnis oder die innere Einstellung, mit welcher der
 
  Bergsteiger dem Berg begegnet. Warum plane ich die jeweilige Tour? Ist es die
 
  Faszination für den Berg, seine Eigenheiten, seine spezifische Schönheit? Ist es die
 
  Suche nach einem ästhetischen Spiel? Dies könnten sein: Die eleganten Bewegungen
 
  beim Klettern, das rhythmische Erleben des Wanderers auf einem harmonisch
 
  geschwungenen Weg, oder die Begegnung mit dem weichen, aufnehmenden Element
 
  des Schnees im Winter. Die Erlebensweisen sind unterschiedlich und sehr vielfältig.
 
    
  Oder möchte ich, im Gegensatz hierzu, den Gipfel, eine Felswand, Schwierigkeit oder
 
  Leistung für mich gewinnen? Fühle ich mich dem Berg gegenüber als jemand, der alles
 
  „im Griff“ hat, oder als bescheidener Gast, der auf die guten Bedingungen angewiesen ist?
 
   
  Heinz Grill schreibt in seinem Buch: „Der Archai und der Weg in die Berge“, dass der
 
  Bergsteiger, der zu sehr dem Eroberungsdrang unterliegt, immer in einer gewissen Gefahr
 
  ist, ohne dass er es weiß. Er empfiehlt deshalb, bei einer Tour die Möglichkeit eines
 
  Rückzuges mit einzukalkulieren und sich offen zu lassen. Dies aber weniger aus
 
  Ängstlichkeit, sondern aus dem Gefühl des Respektes und Dankbarkeit, die aus der
 
  Wirklichkeit des Ausgeliefert-Seins am Berg heraus entsteht. Er schreibt: „Dieses Gefühl
 
  der Ehrfurcht, das eine wahrhaftige Tugend und Reife des Menschseins darstellt, ist der
 
  größte Sicherheitsfaktor, den ein Bergsteiger bei seiner Tour haben kann.“
 
  Wie ist diese Aussage zu verstehen? Wie hängt das Gefühl der Ehrfurcht mit der Sicherheit
 
  zusammen? Die folgenden Beispiele können dies verdeutlichen.
 
   
  Ein Beispiel kann die Erzählung des bekannten, langjährigen Leiters des DAV-
 
  Sicherheitskreises sein, der die Ostwand des Grand Capucin am Mont Blanc besteigen
 
  wollte. Sie beginnt: „....und eigentlich wollten wir ihn im Handumdrehen machen.“ Die
 
  Geschichte endet aber damit, dass  mehrere ungeplante Biwaks in der Wand notwendig
 
  waren. Eine leichtfertige Einstellung (wir machen ihn im Handumdrehen) endete im Biwak.
 
   
  Welcher Bergsteiger kennt es nicht, dass das eigene, oder auch aus einer bestimmten
 
  Gruppendynamik heraus entstandene Wollen so groß ist, dass man den Berg mit seinen
 
  Anforderungen und Bedingungen übersieht. Wie schnell und leicht sind große Pläne in
 
  einer gemütlichen Runde geschmiedet. Die Ideen sind überschwänglich, berauschend und
 
  abenteuerlich...
 
   
  Beginnt man dann eine Berg- oder Klettertour mit dem Glauben, problemlos und schnell
 
  sein Ziel zu erreichen, so kann es sein, dass man, ins Gespräch mit den Kollegen vertieft,
 
  schon die erste Weggabelung übersieht oder sich in der Klettertour versteigt.
 
   
  Man kann dann durch unnotwendige, vielleicht gefährliche Umwege, etwas „geläutert“
 
  wieder auf den richtigen Weg gelangen. Oft meint man in diesen Fällen, dass halt die
 
  Tourenplanung nicht ausreichend war und man etwas übersehen hat. Die Reflexion über
 
  die Einstellung oder innere Haltung, die man dem Berg oder dem Unternehmen gegenüber
 
  hatte, bleibt im Untergründigen.
 
   
  Was für ein Bild kann sich im Gegensatz hierzu zeigen? Wie sieht es aus, wenn man
 
  vorsichtiger, mit dem Gefühl des „Nicht-Wissens“ oder des nur Bedingten - Könnens an
 
  den Berg herangeht? Der Bergsteiger wird schon bei der Tourenplanung hoffen und
 
  bangen, dass er den Weg gut findet oder die schwierigen Passagen gut meistert. Der
 
  Kletterer wird sich die Tourenbeschreibung besonders sorgfältig durchlesen und sich
 
  Schlüsselstellen einprägen.
 
   
  Er wird bei der Durchführung der Tour schon am Wanderweg genau darauf achten, wo die
 
  richtige Abzweigung kommt, bei einer Klettertour den richtigen Routenverlauf immer
 
  wieder überprüfen und die Möglichkeiten des Abseilens und Abbruchs der Tour
 
  miteinkalkulieren.
   
  An diesen Beispielen kann klar werden, dass, wenn der Bergsteiger etwas leichtfertig an
 
  eine Tour herangeht, schnell Missgeschicke, „Verhauer“ oder auch gefährliche Situationen
 
  entstehen können. Die überheblichen Vorstellungen in der Tourenplanung, wie problemlos
 
  ein - oder auch mehrere Berge hintereinander bestiegen werden, lassen sich nicht immer
 
  mit der Realität verbinden.
 
   
  Gibt man dem Berg im Gegensatz dazu eine reale Autorität und ist sich des eigenen
 
  Ausgeliefert-Seins am Berg bewusst, bewegt sich der Bergsteiger vorsichtiger an den
 
  Steiganlagen empor. Ich möchte dies als Einordnung in die Dimension des Berges
 
  bezeichnen. Dies führt dazu, dass die Aufmerksamkeit des Bergsteigers mehr beim Berg und
 
  seinen hoffentlich guten Bedingungen ist. Dadurch werden diese besser wahrgenommen
 
  und vorsichtiger eingeschätzt. Der Bergsteiger rechnet mit schlechten, schwierigen und
 
  mühsamen Bedingungen. Kommen dann die Verhältnisse besser als gedacht, freut man sich
 
  und erlebt den Berg aufnehmend. Hat man im Gegensatz dazu die Bedingungen als zu
 
  leicht eingestuft, überraschen den Bergsteiger die Schwierigkeiten. Er erlebt den Berg
 
  mühsamer als zuerst gedacht oder erreicht nicht den Gipfel und ist enttäuscht.
 
   
  Eine konkrete, aufmerksame Wahrnehmung für den Berg schenkt Vertrauen und Nähe.
 
  Beim Klettern geschieht dies, wenn ich mir die einzelnen Wandabschnitte mit dem
 
  Tourenverlauf genau einpräge. So lerne ich die Wand mit ihren unterschiedlichen
 
  Formen wie Pfeiler, Verschneidungen, Kaminen, Platten und Überhängen genau kennen.
 
  Diese Formationen geben auch unterschiedliche Empfindungen wie die des Geschützt-
 
  Seins oder die der Ausgesetztheit. Auch diese können oder sollten schon vorweg erlebt
 
  werden. Beim Klettern ist auch die Wandexposition mit einzukalkulieren. Dies nicht nur
 
  wegen der unterschiedlichen Bekleidung oder Getränke, die mitzuführen sind, sondern
 
  auch wegen der unterschiedlichen Stimmungen, welche in den Wänden herrschen. Die N-
 
  Wand erscheint oft „strenger“ und „grimmiger“. Die S-Wand freundlich und aufnehmend.
 
  So vertiefen sich die Vorstellungen über einen Berg und eine Klettertour. Dies ist aber auch
 
  auf alle anderen Bergtouren zu übertragen.
 
   
  So haben wir in der Tourenplanung drei unterschiedliche Bilder oder Ebenen. Dies sind
 
  einmal die technischen Informationen mit den Anforderungen, Zeitangaben und
 
  Schwierigkeiten. Dann aber auch das Bild des Berges, mit seinen Wänden, Flanken,
 
  Pfeilern, seinen steilen und flachen Abschnitten. Als drittes Bild oder Ebene ergeben sich
 
  die Empfindungen und Eindrücke, die der Bergsteiger aus der Beschäftigung mit diesen
 
  Bergformen und Expositionen erlebt. Vor allem die letzten beiden Bilder schenken
 
  Vertrauen und eine Nähe zum Berg. Dieses Vertrauen und diese Nähe können eine Basis für
 
  die „innere Sicherheit“ bieten.
 
 
 
  Text zum Drucken und
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  Florian Kluckner in der via 
  “Il gran diedro” due Laghi
 
 
  Ein äußerer Aspekt ist 
  die Ausrüstung und 
  ihr sachgemäßer 
  Gebrauch
 
 
 
  Piz Bernina mit Biancograt
 
 
  Der innere Aspekt 
  ergibt sich aus dem 
  Beziehungsverhältnis 
  das der Bergsteiger 
  zum Berg einnimmt
 
 
  Ist sich der 
  Bergsteiger der 
  realen Autorität des 
  Berges bewusst, so 
  gewinnt er Sicherheit 
 
 
 
  Claudia Bösmüller bei 
  der kleinen Fermeda, 
  Dolomiten
 
 
 
  Franz Heiß in der via “Il 
  gran diedro” due Laghi
 
 
  Der Mensch fügt sich 
  in die Umgebung ein
 
 
  Die Wahrnehmung 
  für den Berg 
  schenkt Nähe und 
  damit Sicherheit
 
 
 
  Sandra Schieder in der via 
  “La bellezza della Venere”, 
  Piramide Lakschmi